Die Umarmung der Erde
Entstanden im September 2024
Größe: 60 x 40 cm
Die Umarmung der Erde
Lukas war immer schon ein Kind der Natur. Schon als Junge streifte er durch die Wälder, fühlte die Rinde der Bäume unter seinen Fingern und lauschte dem Rauschen der Blätter im Wind. Die Natur gab ihm Frieden – sie war ein Rückzugsort, wenn das Leben ihm zu laut und chaotisch wurde.
Doch in letzter Zeit hatte selbst die Natur es schwer, ihm Trost zu spenden.
Die letzten Monate waren wie eine ständige Flut an Gefühlen. Eine Beziehung war zerbrochen, ein Job verloren gegangen, und Lukas hatte das Gefühl, als wäre er von allem, was ihm wichtig war, abgeschnitten.
Er fühlte sich leer, und diese Leere war erdrückend. Der Himmel über ihm war klar und blau, doch in ihm selbst tobte ein Sturm.
An einem Nachmittag, als die Sonne sich langsam hinter den Bäumen senkte, setzte sich Lukas in seiner Werkstatt vor eine blanke Holzplatte. Die Platte lag schwer in seinen Händen, die Schichten des Holzes erinnerten ihn an das, was er so sehr liebte – die Tiefe und Beständigkeit der Natur. Doch die weiße Fläche vor ihm war zu hell, zu still. Es war, als würde sie die Ruhe einfordern, die er nicht finden konnte.
Ohne viel nachzudenken, griff er zu Farben, Pinsel und Spachtel. Er wollte die Ruhe durchbrechen. Eine unerwartete Kraft überkam ihn, als er die Farben auf das Holz schleuderte. Schwarz, Grau, Linien und Spritzer – es war, als würde alles, was er in sich getragen hatte, explodieren. Die weiße Reinheit der Fläche war nicht mehr; sie wurde dunkler, schwerer, voller Leben. Und doch, als er seine Hände auf das Holz legte, fühlte es sich nicht zerstört an, sondern vollkommen.
Während er arbeitete, spürte er die Verbindung zur Erde wieder. Das Holz, das in Schichten unter seiner Hand lag, war nicht nur ein Material. Es war Teil der Natur, genauso wie er. Die Umarmung der Holzschichten, die durch seine Bearbeitung zu einem natürlichen Rahmen geworden waren, erinnerte ihn daran, dass selbst in Zeiten des Chaos und der Dunkelheit die Natur ihn umarmte und hielt.
Mit jeder Bewegung fühlte sich Lukas leichter. Die Dunkelheit, die er auf die Leinwand brachte, war nicht erdrückend – sie war befreiend. Am Ende war das Bild nicht mehr nur eine Explosion seiner Gefühle. Es war ein Ausdruck von Leben, ein Beweis dafür, dass selbst aus dem dunkelsten Sturm etwas Neues entstehen konnte.
Lukas trat zurück und betrachtete das Werk. Es war kraftvoll, wild und doch beruhigend. Wie die Wälder, die er als Kind durchstreift hatte, war es eine Mischung aus Chaos und Ordnung, aus Dunkelheit und Licht. Und in diesem Moment verstand er, dass die Natur ihn nie verlassen hatte. Sie war immer da gewesen, um ihn aufzufangen, ihn zu umarmen.
Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er wusste, dass es noch viele Stürme geben würde, aber auch, dass er die Stärke hatte, sie zu überstehen. Denn genau wie das Holz unter seiner Hand, war auch er ein Teil von etwas Größerem – von etwas Beständigem, das nie aufhörte zu wachsen und zu leben.